Anläss­lich des 9. Novem­bers hielt in die­sem Jahr der His­to­ri­ker Wolf­gang Niess einen Vor­trag zur Novem­ber­re­vo­lu­tion von 1918.  Sein zen­tra­les Anlie­gen ist es, dass die­ser Tag als „Mei­len­stein der Demo­kra­tie­ge­schichte“ (so Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­meier) ange­se­hen und neben 1938 und 1989 in das Geden­ken des 9. Novem­bers ein­be­zo­gen wird.

Dem­entspre­chend hob er in sei­nem Vor­trag die lang­fris­ti­gen, posi­ti­ven Fol­gen von 1918 her­vor, wel­che bereits am 12. Novem­ber in Kraft gesetzt wur­den. Dazu gehö­ren die Ein­füh­rung der par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tie mit freier, all­ge­mei­ner und glei­cher Wahl ver­bun­den mit der Ein­füh­rung des Frau­en­wahl­rechts, die Ver­wirk­li­chung libe­ra­ler Frei­heits­rechte und die Ein­füh­rung des Acht-Stun­den-Tages. Das neue Staats­we­sen habe zugleich deut­lich gemacht, dass es auch eine soziale Repu­blik sein wollte. Niess ging in die­sem Zusam­men­hang auf eine Ver­ein­ba­rung zwi­schen Gewerk­schaf­ten und Unter­neh­men ein (nach den Ver­hand­lungs­füh­rern “Stin­nes-Legien-Abkom­men“ benannt), wel­che zum ers­ten Mal in der deut­schen Geschichte den Gedan­ken der Sozi­al­part­ner­schaft in die Orga­ni­sa­tion des Wirt­schafts­le­bens ein­ge­führt habe.

In dem anschlie­ßen­den Gespräch mit den Schü­lern und Schü­le­rin­nen der Jahr­gangs­stu­fen Q 1 und Q 3 wurde der Refe­rent mit der kri­ti­schen Frage kon­fron­tiert, ob 1918 nicht auch für die unvoll­endete Revo­lu­tion stehe, die nach dem Schei­tern der Wei­ma­rer Repu­blik in die NS-Dik­ta­tur geführt habe.

Niess zeigte sich über­zeugt davon, dass die Novem­ber­re­vo­lu­tion nicht als Anfang der „deut­schen Kata­stro­phe“ gese­hen wer­den dürfe. Er ver­wies ins­be­son­dere auf die sta­bile Phase der Wei­ma­rer Repu­blik Mitte der Zwan­zi­ger­jahre und sieht aus einer Viel­zahl von Grün­den kei­nen ursäch­li­chen Zusam­men­hang zwi­schen einer angeb­lich unvoll­ende­ten Revo­lu­tion 1918 und dem Ende der Repu­blik 1933. Man müsse sich sei­ner Auf­fas­sung nach nicht dar­auf kon­zen­trie­ren, was die Revo­lu­tion hätte bes­ser machen kön­nen und ver­deut­lichte dies mit dem Bild des halb gefüll­ten Was­ser­gla­ses. Die Leis­tun­gen der Novem­ber­re­vo­lu­tion 1918 wür­den aus­rei­chen, um von einem wah­ren Beginn der Demo­kra­tie zu sprechen.

Kei­nen Hehl machte Wolf­gang Niess aus sei­ner kri­ti­schen Hal­tung gegen­über dem 3. Okto­ber als Natio­nal­fei­er­tag. Der 9. Novem­ber wäre für ihn der geeig­ne­tere Tag gewe­sen. Da man einen ein­mal eta­blier­ten Tag nicht ohne große Schwie­rig­kei­ten wie­der abschaf­fen könne, plä­dierte er dafür, den 9. Novem­ber als „Natio­na­len Gedenk­tag“ der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu erklä­ren und mit vie­len Ver­an­stal­tun­gen wei­ter auf­zu­wer­ten.   Vor die­sem Hin­ter­grund zeigt Niess sich sehr erfreut dar­über, dass am Les­sing-Gym­na­sium jähr­lich ein his­to­ri­scher Novem­ber­vor­trag statt­fin­det, der einen der „deut­schen Schick­sals­tage“ zum Schwer­punkt hat.