Am 29. Juni 2021 kamen knapp 70 Zuhörer verlässlich maskiert, voll guter Präsenz-Laune und trotz des Deutschlandspieles der EM (einige wäre sicher im Nachhinein doch lieber hierher gekommen) in der Aula zusammen, um einen Vortrag von Prof. Dr. Guido Pfeifer der Goethe-Universität Frankfurt zu hören.
Zunächst wurde der Gastredner von Seiten der Schulleitung durch Herrn Dr. Spahlinger sowie von Seiten der Kooperationsleitung durch Frau Bohl (Lessing-Gymnasium) und Frau Dr. Brandis (Goethe-Universität) begrüßt. Letzte stimmten durch einen kleinen sokratischen Dialog, in dem sie die Vita des Gastes skizzierten, in das Projekt ein.
Dieses stellte Herr Prof. Pfeifer dann im Folgenden dar:
- Der Höhepunkt dieses vierten Projektes der Schule-Uni-Kooperation stellt der „Prozess gegen Sokrates revised and revisited“ dar, der im Februar 2022 in Anlehnung an das amerikanische Modell eines sogenannten „Moot Court“ aufgeführt wird: Angestrebt ist eine Simulation der historischen Gerichtsverhandlung mit dem Ziele des Wiederaufgreifens und Überdenkens.
- Im September 2021 werden Herr Prof. Pfeifer und Frau Dr. Brandis ein gemeinsames Hauptseminar bzw. Schwerpunkt-Kolloquium für Studentinnen und Studenten der Klassischen Philologie und der Rechtswissenschaft durchführen.
- Dieses soll die Workshops der Studierenden für alle Altgriechisch-Klassen des Lessings-Gymnasiums im Februar 2022 vorbereiten.
- Am 29. Oktober 2021 wird an der Goethe-Universität ein wissenschaftliches Symposium veranstaltet, an dem alle Beteiligten durch Vorträge von drei Experten aus der Klassischen Philologie, der Alten Geschichte sowie der Antiken Rechtsgeschichte Ihre Kenntnisse zum Sokrates-Prozesses noch erweitern werden.
- Bereits vorausgegangen ist der Veranstaltungsreihe im Sommersemester 2020 ein rechtshistorisches Seminar von Prof. Pfeifer mit dem Titel „Frevel gegen die Götter – Asebie im antiken Griechenland“ sowie in diesem laufenden Semester ein digitales Kolloquium „Griechisches Recht – Einführung und Vertiefung“. An zwei Terminen des Kolloquiums hat der Griechisch-Kurs (E‑Phase) von Frau Stamm teilgenommen, der sich aktuell mit der Apologie Platons beschäftigt.
- Eine materielle Förderung erhält die Kooperation für dieses Projekt durch den Deutschen Altphilologen-Verband und den Förderfonds Lehre der Goethe-Universität.
Was bedarf es nun noch, bis die am besten 501 Richter in die Heliaia der Aula der Schule oder eines Hörsaales der Uni geladen werden können und ihren Heliasten-Eid schwören?
Es müssen in einem sozusagen geisteswissenschaftlichen Labor nicht nur die Anklagereden von Meletos, Anytos und Lykon und die Verteidigungsrede des Sokrates im Kontext der einseitigen Überlieferungslage sowie anderer Quellen verfasst, weiter gedacht werden und im Sinne eines rhetorischen Agons eingeübt werden, sondern auch der Einsatz von Wasseruhren (klepshydrai), das Aussehen und die Funktionsweise der konkreten Stimmsteine (psephoi) und Urnen erprobt und nachgebaut werden. Des Weiteren müssen Beamte zur Aufsicht des Verfahrens und Herolde zum Verlesen von Beweismitteln gefunden werden.
Herr Prof. Pfeifer machte immer wieder – auch mittels einer anschaulichen Präsentation – klar, welches Potential die Alten Sprachen selbst in einem Rechtsstudium haben und warum die Beschäftigung mit der Antike uns wichtige Gelegenheiten des eigenen Überdenkens und Lernens, aber auch des Spaßes bietet.
Für das anstehende Projekt postulierte er ein Arbeiten auf Augenhöhe und zeigte dies selbst bereits in seiner lebendigen Vortragsart, die ohne Klepshydra ein gutes Zeitmaß kannte und die unterschiedlichen Wissensstände aller Zuhörenden zu berücksichtigen wusste. Wir danken ihm für den bereichernden Abend.
Judith K. Bohl und Dr. Veronika Brandis